Wer zu spät kommt, ... - kein Anspruch des erstmalig gewählten Betriebsrats auf Sozialplan

Von DR. ARTUR KÜHNEL, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner

Laut Bundesarbeitsgericht hat ein Betriebsrat, der erst nach vom Arbeitgeber begonnener Umsetzung einer Betriebsänderung (§ 111 BetrVG) erstmalig gebildet wird, keinen Anspruch auf Abschluss eines Sozialplans (BAG, Beschluss vom 8.2.2022, 1 ABR 2/21).


Folgende Aussagen aus der Entscheidung des BAG sind hervorzuheben:

  • Wird in einem bislang betriebsratslosen Betrieb ein Betriebsrat erst gebildet, nachdem der Arbeitgeber mit der Umsetzung der Betriebsänderung (insbes. Personalabbau) begonnen hat, steht dem Betriebsrat kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht auf Abschluss eines Sozialplans zu.
  • Nur dann, wenn ein Betriebsrat bereits besteht, kann und muss der Arbeitgeber etwaige finanzielle Belastungen durch einen Sozialplan in seine Entscheidung einbeziehen. Der Umstand, dass ein Sozialplan auch noch nach erfolgter Betriebsänderung abgeschlossen werden und der Arbeitgeber entsprechende Kosten – vorsorglich – einkalkulieren könnte, ändert hieran nichts.
  • Dadurch kommt es auch nicht zu einem „unerwünschten Wettlauf“ zwischen der Belegschaft und dem Arbeitgeber. Den Arbeitnehmern ist es nämlich unbenommen, unabhängig von den Planungen des Arbeitgebers jederzeit einen Betriebsrat zu wählen. Das BetrVG geht im Grundsatz sogar davon aus, dass ein Betriebsrat bereits dann zu errichten ist, wenn und sobald die Voraussetzungen hierfür gegeben sind.
  • Eine generelle Verpflichtung des Arbeitgebers, mit einer an sich beteiligungspflichtigen Maßnahme so lange zu warten, bis im Betrieb ein funktionsfähiger Betriebsrat vorhanden ist, enthält das BetrVG nicht. Das gilt selbst dann, wenn mit der Wahl eines Betriebsrats zu rechnen und die Zeit bis zu dessen Konstituierung absehbar ist (vgl. für die Beteiligung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG bereits BAG, Beschluss vom 23.8.1984, 6 AZR 520/82). Das BAG musste vorliegend nicht darüber entscheiden, ob im Einzelfall etwas anderes gelten kann, wenn der Arbeitgeber die rechtzeitige Wahl des Betriebsrats vereitelt hat.

Das Bundesarbeitsgericht hat damit seine Rechtsprechung aus den 80er und 90er Jahren bestätigt (vgl. BAG, Beschluss vom 20.4.1982, 1 ABR 3/80; BAG, Beschluss vom 29.11.1983, 1 ABR 20/82; BAG, Beschluss vom 22.10.1991, 1 ABR 17/91; BAG, Beschluss vom 28.10.1992, 10 ABR 75/91) und damit von den Instanzgerichten vereinzelt vertretenen anderen Auffassungen eine Absage erteilt (vgl. LAG Köln, Beschluss vom 5.3.2007, 2 TaBV 10/07; ArbG Reutlingen, Beschluss vom 29.10.1998 – 3 (1) BV 7/98).

 

Fazit

Belegschaften in betriebsratslosen Betrieben, die erst dann einen Betriebsrat bilden, wenn es "brenzlig" wird, sind aus Sicht des BAG - zugespitzt formuliert - "selbst Schuld", wenn die Wahl (konkret: die konstituierende Sitzung) des erstmalig gebildeten Betriebsrats zu spät kommt, weil der Arbeitgeber bereits mit der Umsetzung der Maßnahme begonnen hat.     

 

Aus Arbeitgebersicht wiederum ist die Entscheidung eine wohl zumeist willkommene Klarstellung, dass man "nichts Böses" oder Rechtswidriges unternimmt, wenn man im  betriebsratslosen Betrieb eine Maßnahme zügig umsetzt und auch die daraufhin hektisch erfolgende erstmalige Bildung des Betriebsrats nicht abwartet. Allerdings sollte man als Arbeitgeber den Wink des BAG "mit dem Zaunpfahl" zur Kenntnis nehmen, dass etwas anderes angenommen werden könnte, wenn der Arbeitgeber die rechtzeitige Wahl des Betriebsrats vereitelt. Die bei erstmaliger Betriebsratswahl häufig vorhandenen Umstände (Unkenntnis, Unwillen usw.) können schneller als man glaubt, zu Verhalten auf Arbeitgeberseite führen, die im worst case auch zur Annahme einer Vereitelung der  rechtzeitigen Wahl des Betriebsrats führen können (z.B. Verzögerung oder Verweigerung ggü. dem Wahlvorstand, ihn die nötigen Angaben zur Erstellung der Wählerliste zu übermitteln).

DR. ARTUR KÜHNEL
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner
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