Von DR. ARTUR KÜHNEL, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner
Die Anordnung einer Arbeitgeberin, dass Rauchen nur in den festgelegten Pausen gestattet ist, unterliegt ausweislich einer aktuellen Entscheidung regelmäßig nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29.3.2022, 5 TaBV 12/21).
Der Fall
Arbeitgeberin und Betriebsrat streiten darüber, ob die arbeitgeberseitige Anweisung, wonach Rauchen nur in den Pausen gestattet ist, mitbestimmungspflichtig ist.
Die Arbeitgeberin erbringt Logistikdienstleistungen in einem Seehafen, in dem insbesondere große Mengen von Holz und Holzprodukten umgeschlagen werden und in dessen direkten Umfeld sich mehrere holzverarbeitende Unternehmen befinden.
Die Arbeitgeberin ist tarifgebunden. In dem geltenden Rahmentarifvertrag sind die Schichten, die regelmäßigen Arbeitszeiten und auch die Pausen in den jeweiligen Schichten konkret festgelegt.
Arbeitgeberin und Betriebsrat regelten 2011 in einer sog. Betriebsordnung u.a. Folgendes:
Für das gesamte Betriebsgelände der Seehafen A-Stadt GmbH besteht generelles Rauchverbot. Das Rauchen ist ausdrücklich nur auf den dafür ausgewiesenen Plätzen (Raucherinseln) gestattet.
Im November 2020 gab die Arbeitgeberin Verhaltensmaßregeln für das Betriebsgelände des Seehafens heraus, in denen es u.a. heißt:
Rauchen, auch die Verwendung von E-Zigaretten, ist außerhalb der ausgeschilderten Bereiche ausdrücklich verboten, es gilt ein generelles Rauchverbot. Somit ist das Rauchen ausschließlich auf den gem. Anlage 1 aufgeführten „Raucherinseln“ und ausschließlich in der tariflich vorgeschriebenen Pause gestattet.
Die Arbeitgeberin forderte ihre Beschäftigten auf, die Kenntnisnahme dieser Anordnung durch ihre Unterschrift zu bestätigen, und drohte im Falle einer Unterschriftsverweigerung Konsequenzen an. Der Betriebsrat verlangte die Anordnung wegen der unterbliebenen Beteiligung des Betriebsrats zurückzuziehen und die Beschäftigten entsprechend zu informieren.
Nach Weigerung der Arbeitgeberin hat der Betriebsrat vor dem Arbeitsgericht Unterlassungsansprüche geltend gemacht. Erstinstanzlich ist der Betriebsrat unterlegen. Hiergegen hat er Beschwerde eingelegt.
Die Entscheidung des LAG
Das LAG hat entschieden, dass dem Betriebsrat keine Unterlassungsansprüche zustehen, da die Arbeitgeberin sein Mitbestimmungsrecht nicht verletzt hat.
Vorab weist das LAG klarstellend darauf hin, dass das Rauchverbot selbst zwischen den Parteien nicht im Streit steht, da es sich bereits aus der Betriebsordnung aus dem Jahr 2011 ergibt. Im Streit sei nur der Teil der Verhaltensordnung, wonach das Rauchen ausschließlich in der tariflich vorgeschriebenen Pause gestattet ist.
Das LAG verneint insoweit ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb).
Das LAG stellt hierzu zunächst fest, dass ein Mitbestimmungsrecht zwar nicht bereits nach dem Eingangssatz des § 87 Abs. 1 BetrVG ausgeschlossen oder jedenfalls eingeschränkt wäre, da keine gesetzliche oder tarifliche Regelung zum Verhältnis von Rauchen und Arbeitszeit vorhanden sei. Der Rahmentarifvertrag regele zwar Pausenzeiten, treffe aber keine Aussage zum Rauchen. Dass Rauchen außerhalb der Pausenzeiten untersagt sei, lasse sich dem Rahmentarifvertrag nicht entnehmen.
Jedoch ist laut LAG in dem streitigen Teil der Verhaltensordnung nicht ein mitbestimmungspflichtiges Ordnungsverhalten, sondern ausschließlich ein mitbestimmungsfreies Arbeitsverhalten betroffen. Allgemein gibt das LAG zunächst die Grundsätze dazu wie folgt wieder:
- Gegenstand des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Dieses kann der Arbeitgeber kraft seiner Leitungsmacht durch Verhaltensregeln oder sonstige Maßnahmen beeinflussen und koordinieren. Zweck des Mitbestimmungsrechtes ist es, die Arbeitnehmer hieran gleichberechtigt zu beteiligen.
- Dagegen sind Regelungen und Weisungen, welche die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisieren - sog. Arbeitsverhalten - nicht mitbestimmungspflichtig. Dies sind solche Maßnahmen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert und abgefordert wird.
- Wirkt sich eine Maßnahme zugleich auf das Ordnungs- und das Arbeitsverhalten aus, kommt es darauf an, welcher Regelungszweck überwiegt. Ob das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten betroffen ist, beurteilt sich nicht nach den subjektiven Vorstellungen, die den Arbeitgeber zu einer Maßnahme bewogen haben. Entscheidend ist der jeweilige objektive Regelungszweck. Dieser bestimmt sich nach dem Inhalt der Maßnahme sowie nach der Art des zu beeinflussenden betrieblichen Geschehens.
Konkret zu dem streitigen Teil der Verhaltensordnung führt das LAG anschließend Folgendes aus:
- Die konkrete Regelung dient nicht der Koordinierung des Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Arbeitnehmer. Sie ist ausschließlich auf die Einhaltung der Arbeitszeiten gerichtet.
- Während des Rauchens können die Arbeitnehmer des Seehafens grundsätzlich keine Arbeitsleistung erbringen. Rauchen außerhalb der vorgesehenen Pausen stellt (vielmehr) eine Unterbrechung der Arbeitstätigkeit dar.
- Die Arbeitgeberin ist nicht verpflichtet, solche Arbeitsunterbrechungen zu dulden. Vielmehr haben die Arbeitnehmer während der festgelegten Arbeitszeiten ihre Arbeitsleistung zu erbringen. Zumindest haben sie sich bereitzuhalten, um jederzeit die Arbeit nach Anweisung der Arbeitgeberin aufzunehmen zu können.
- Der Arbeitgeberin ist es nicht verwehrt, die vereinbarten Arbeitsleistungen in dem vollen Zeitumfang abzufordern. Zwar mag es vorkommen, dass es wegen eines schwankenden Arbeitsanfalls nicht immer möglich ist, alle Arbeitnehmer durchgängig zu beschäftigen. Das berechtigt jedoch weder die Raucher, ihren Arbeitsplatz zu verlassen und eine Raucherinsel aufzusuchen, noch andere Arbeitnehmer, privaten Angelegenheiten welcher Art auch immer nachzugehen.
- Während der festgelegten Arbeitszeiten besteht Arbeitspflicht, sofern nicht die Arbeitgeberin von sich aus im Einzelfall freiwillig eine zusätzliche bezahlte oder unbezahlte Pause gestattet.
Die Rechtsbeschwerde zum BAG hat das LAG nicht zugelassen.
Bewertung und Beraterhinweise
Die Pausen und das (eingeschränkte) Rauchverbot waren bereits tariflich bzw. betrieblich geregelt, so dass die hier in Frage kommenden Mitbestimmungsrechte (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BetrVG) entweder bereits ausschieden (Pausen: Tarifvorbehalt nach dem Eingangssatz des § 87 Abs. 1 BetrVG) oder schon ausgeübt waren (Rauchen).
Die davon zu trennende Anordnung der Arbeitgeberin, dass Rauchen nur in den festgelegten Pausen gestattet ist, hat das LAG für den konkreten Fall als nicht mitbestimmungspflichtig angesehen. Die Entscheidung ist überzeugend - und zwar völlig unabhängig davon, wie man zum Rauchen steht. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass sich dies aus den konkreten Umständen des Einzelfalls ergab. Denn vorliegend es den Beschäftigten aufgrund der Art des Betriebs und der damit verbundenen Brandgefahr sowie dem bereits bestehenden (eingeschränkten) Rauchverbot nicht möglich, während der (laufenden) Erbringung der Arbeitsleistung zu rauchen. Folglich kann man der Entscheidung des LAG keine pauschale Aussage dahingehend entnehmen, dass dem Betriebsrat bei der Regelung von Raucherpausen oder bei der Frage, ob Rauchen während der Arbeitszeit gestattet ist, generell kein Mitbestimmungsrecht zustünde. Laut einer (wenn auch schon etwas älteren) Entscheidung des BAG gehört auch die Frage, ob während der Arbeitszeit und im Betrieb geraucht werden darf, "grundsätzlich" (Anm.: in "Juristensprache" heißt das: begründete Ausnahmen sind möglich) wie vorliegend vom LAG angenommen) zu dem mitbestimmungspflichtigen Ordnungsverhalten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn nicht schon die Arbeitsleistung selbst durch das Rauchen beeinträchtigt wird (Anm.: wie vorliegend vom LAG angenommen), so dass mitbestimmungsfreies Arbeitsverhalten berührt ist (BAG, Urteil vom 19.1.1999 - 1 AZR 499/98).
Hierzu passt auch eine schon ein paar Jahre zurückliegende Entscheidung des LAG Düsseldorf (Beschluss vom 19.4.2016 - 14 TaBV 6/16): Treffen die Betriebsparteien eine gemeinsame Regelung, die das Rauchen am Arbeitsplatz wirksam untersagt, stellt das Verbot, die Arbeitszeit zusätzlich zu den regelmäßigen Pausen zum Zwecke des Rauchens in den eingerichteten Raucherzonen zu unterbrechen, keinen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Arbeitnehmer dar, der besonders zu rechtfertigen wäre.
Zutreffend ist auch die (wenn auch nur mittelbar geäußerte) Annahme des LAG Mecklenburg-Vorpommern, dass der Betriebsrat über § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zwar über die zeitliche Lage und Dauer der Pausen, nicht jedoch über die Einführung vergütungspflichtiger Pausen mitbestimmen kann. Nachdem der Betriebsrat sich im Laufe des Verfahrens auf eine entsprechende betriebliche Praxis (bezahlte Arbeitsunterbrechungen, die zum Rauchen genutzt worden seien) berufen hatte, hat die Vorinstanz (ArbG Schwerin, Beschluss vom 24.6.2021 - 5 BV 1/21) dazu sogar ausgeführt, dass zusätzliche Pausen ohne Nutzung des Zeiterfassungssystems (Anm.: gemeint war wohl auch: ohne Kenntnis/Billigung des Arbeitgebers) einen "Arbeitszeitbetrug" zu Lasten der Arbeitgeberin darstellen würden. Einen entsprechenden Anspruch aus betrieblicher Übung hat vor einigen Jahren das LAG Nürnberg verneint (Urteil vom 5.8.2015 – 2 Sa 132/15).
Im Übrigen: Auch soweit Rauchverbote zum mitbestimmungspflichtigen Ordnungsverhalten gehören, sind für das klassische Rauchen die Nichtraucherschutzgesetze der Länder sowie der in § 5 ArbStättV zugunsten der Beschäftigten geregelte Nichtraucherschutz zu beachten und bilden eine Grenze für die Mitbestimmung. Generell ist "Rauchen am Arbeitsplatz" und damit häufig gleichbedeutend auch "Rauchen während der Arbeitszeit" heutzutage wegen des Nichtraucherschutzes und auch der geänderten Vorstellungen in der Gesellschaft deutlich seltener üblich bzw. möglich.
Und gilt das jetzt auch für E-Zigaretten und dem "Dampfen" am Arbeitsplatz? Ohne an dieser Stelle darauf eingehen zu wollen, ob E-Zigaretten unter den Nichtraucherschutz fallen, ist jedenfalls betriebsverfassungsrechtlich im Ausgangspunkt kein Unterschied zum klassischen Rauchen gegeben. Auch die vorliegende Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern müsste bei vergleichbaren Einzelfallumständen (insbes. vorhandener Regelung, dass "Dampfen" im Betrieb an sich verboten und nur an gewissen hierfür eingerichteten Plätzen zulässig wäre,) bei E-Zigaretten im Ergebnis gleich ausfallen (Anm.: im konkreten Fall umfasste die Verhaltensordnung im Übrigen auch die Verwendung von E-Zigaretten, ohne dass das LAG hierauf besonders eingegangen wäre). Ansonsten kann ein Mitbestimmungsrecht gegeben sein. Insoweit wird ein umfassendes betriebliches „Dampfverbot“ im Vergleich zum klassischen Rauchverbot mangels konkreter wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Schädlichkeit von E-Zigaretten in Bezug auf die nicht „dampfenden“ Arbeitnehmer zum Teil bisher aber kritischer gesehen.
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner
E-Mail: kuehnel@vahlekuehnelbecker.de
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