Von DR. ARTUR KÜHNEL, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner
Ein Elternzeitverlangen muss die in § 126 Abs. 1 BGB vorgeschriebene Schriftform wahren. Das setzt den Zugang des eigenhändig unterschriebenen Schreibens im Original beim Arbeitgeber voraus. Ansonsten ist die Elternzeit nicht wirksam genommen und begründet keinen Sonderkündigungsschutz gemäß § 18 BEEG.
BAG, Urt. v. 10.5.2016 – 9 AZR 145/15
Die Klägerin war als Rechtsanwaltsfachangestellte bei dem beklagten Rechtsanwalt beschäftigt. Dieser kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 15. November 2013. Im Kündigungsrechtsstreit machte die Klägerin geltend, sie habe dem Beklagten nach der Geburt ihrer Tochter per Telefax am 10. Juni 2013 mitgeteilt, dass sie Elternzeit für zwei Jahre in Anspruch nehme. Der Beklagte habe deshalb das Arbeitsverhältnis nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG nicht kündigen dürfen. Die Vorinstanzen haben der Kündigungsschutzklage stattgegeben.
Die Revision des Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Das Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung des Beklagten vom 15. November 2013 aufgelöst worden. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts genoss die Klägerin nicht den Sonderkündigungsschutz des § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG. Die Klägerin hatte mit ihrem Telefax vom 10. Juni 2013 nicht wirksam Elternzeit verlangt. Besonderheiten, die es dem Beklagten nach Treu und Glauben verwehrten, sich auf den Formverstoß zu berufen, lagen nicht vor.
Wer Elternzeit für den Zeitraum bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes beanspruchen will, muss sie nach § 16 Abs. 1 BEEG spätestens sieben Wochen vor Beginn der Elternzeit schriftlich vom Arbeitgeber verlangen und gleichzeitig erklären, für welche Zeiten innerhalb von zwei Jahren Elternzeit genommen werden soll. Bei der Inanspruchnahme handelt es sich um eine rechtsgestaltende empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit - vorbehaltlich der Vereinbarung einer Teilzeitbeschäftigung - zum Ruhen gebracht wird. Einer Zustimmung des Arbeitgebers bedarf es nicht. Das Elternzeitverlangen erfordert die strenge Schriftform iSv. § 126 Abs. 1 BGB. Es muss deshalb von der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. Ein Telefax oder eine E-Mail wahrt die von § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG vorgeschriebene Schriftform nicht und führt gemäß § 125 Satz 1 BGB zur Nichtigkeit der Erklärung. Allerdings kann sich ein Arbeitgeber aufgrund der Besonderheiten des konkreten Falls treuwidrig verhalten, indem er sich darauf beruft, das Schriftformerfordernis des § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG sei nicht gewahrt (§ 242 BGB).
Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.5.2016, Nr. 23/16
Praxishinweis: Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer müssen bei wichtigen empfangsbedürftigen Erklärungen an die jeweils andere Seite prüfen, ob und welche Form Wirksamkeitsvoraussetzung für die Erklärung ist. Zudem empfiehlt es sich dringend, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um den Inhalt und Zugang sowie die Wahrung der erforderlichen Form im Streitfall auch nachweisen zu können.
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner
E-Mail: kuehnel@vahlekuehnelbecker.de
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